Reports from Institutions Research

Geld + Kirche – Das Kreuz der Kirche mit dem Geld

Zur aktuellen Ausstellung im Münzkabinett Winterthur

Kann Geld gut sein? Mit dieser Frage, die seit jeher das Kreuz der Kirche war, geht das Winterthurer Münzkabinett in der aktuellen Ausstellung einer berechtigten Frage nach, die weit über die Münzgeschichte hinausführt.

Die kirchliche Diskussion um eine adäquate Haltung zum Geld, dem bei Aristoteles der Geruch des Unnatürlichen und im Neuen Testament derjenige des Unmoralischen anhaftet, hat eine lange Tradition.

Die Moraltheologie verurteilte Geld und Handel als unmoralisch. Wirtschaftliches Denken bekam aber in der mittelalterlichen Gesellschaft seit dem 12./13. Jahrhundert grosse Bedeutung und der Umgang mit Geld wurde zum brennenden Thema.

Abb. 1. Ablassbrief von Paulinus Chappe zum Besten des Kampfes gegen die Tü rken und der Verteidigung von Zypern, ausgefü llt am 24. April 1455 in Braunschweig fü r Cord Mander und Angehö rige durch den Priester Hinricus Kriter. Druck: Johannes Gutenberg, Mainz, 1454. – Herzog August Bibliothek Wolfenbü ttel: AÄ ltere Einblattdrucke 1.

Das Problem mit dem Zins

 Die kirchliche Diskussion um das Geld entzü ndete sich am «Wucher» (usura), dem Zins, der beim Verleih von Geld fällig wurde.

Mit grossem intellektuellem Aufwand suchten Gelehrte wie Thomas von Aquin (um 1225–1274) nach Wegen, aus dem «bösen» Geld gottgefälliges «gutes» Geld zu machen. Die neuen Denkfiguren basierten unter anderem darauf, dass Zins nicht mehr «Zins» genannte wurde.

Mit der Rezeption der griechischen Philosophie im 13. Jahrhundert wurde auch die Haltung von Aristoteles zu Geld und Zins wichtig. Er war der Ansicht, dass Geld sich nicht aus sich heraus vermehren sollte. Damit gesellte sich zum moralischen ein naturrechtlicher Einwand und die Vorstellung einer «natü rlichen» Balance der wirtschaftlichen Beziehungen.

«Buchhaltung des Seelenheils»

Das Leben im Diesseits war fü r den mittelalterlichen Menschen nur Vorstufe zum Jenseits. Die Lebensfü hrung auf Erden war massgebend fü r das Dasein im Jenseits: Je nach dem im Himmel, im Fegefeuer oder in der Hölle.

Die Vorsorge für das Jenseits war untrennbar mit der Sorge um das eigene Seelenheil verbunden. Wie gross war das «Konto» der Sü nden und fü r wieviel davon konnte man schon zu Lebzeiten Abbitte leisten?

Abb. 2. Republik Florenz, Fiorino d’oro, 1305. Rs. Johannes der Täufer, Münzzeichen. – Münzkabinett Winterthur, Inv.Nr. M 3931. Foto: Lübke & Wiedemann, Stuttgart.

In einer «Buchhaltung des Seelenheils» verknü pfte man das Verlangen nach dem immateriellen göttlichen Heil mit materiellen guten Werken, die als «Seelgeräte» fü r das Jenseits dienten. Sie wirkten sich auf das «Heilskonto» aus. Die Welt des Geldes ging eine unlösbare Verbindung mit der Welt des Heils ein.

Beichte, Busse, Geld: Der Ablass

Der Ablass war im Mittelalter die kirchlich gewä hrte Verkü rzung der Leidenszeit der Seele im Fegefeuer, die man sich durch ein religiöses Werk erwerben oder mit Geld erkaufen konnte (Abb. 1).

Dahinter steht die Vorstellung, dass die Kirche den «Gnadenschatz» des göttlichen Heils (thesaurus ecclesiae) hü tet und daher aus diesem Besitz Erleichterungen fü r das Fegefeuer gewähren kann. Bis heute ist dies in der katholischen Kirche kanonisches Recht.

Im Spätmittelalter verband sich mit dem Ablass eine wirtschaftliche Sichtweise auf das Seelenheil, die sich mit der zunehmenden Ökonomisierung der Lebensverhältnisse verstärkte: Ablässe waren «Investitionen» in das individuelle Seelenheil.

Ohne Geld keine Kirche

 Das Kreuz der Kirche mit dem Geld war stets die Diskrepanz zwischen der kritischen theologischen Sicht auf das Geld und der Notwendigkeit, zum Nutzen der Amtskirche damit pragmatisch umzugehen.

Die Kirche umfasste im Mittelalter die ganze westliche Christenheit und unterhielt ein Verwaltungs-Netzwerk, das ü ber die christliche Welt hinausreichte. Ein intensiver Umgang mit Geld war unabdingbar, um den Apparat und dessen Finanzflü sse zu unterhalten.

Von Anfang an gehörte die Kirche zu den wichtigsten Kunden der Banken und Kaufleute, die seit dem Aufkommen der Geldwirtschaft im 12. und 13. Jahrhundert Geld- und Kreditgeschäfte betrieben (Abb. 2).

Die Kirche nutzte die bestehenden Netzwerke der marchand-banquiers und neue, bargeldlose Finanzinstrumente wie den Wechselbrief. Sie trug wesentlich dazu bei, dass sich Finanz-Innovationen in ganz Europa verbreiteten.

Abb. 3. Animation zur Ausstellung im «Kirchenraum». Foto: Thomas Ernst, Winterthur.

Eine sinnlich-spielerische Annäherung

Die Ausstellung nähert sich dem Thema auf sinnlich-spielerischen Wegen an. Ein Kirchenraum schafft eine Atmosphäre der Stille und des Nachdenkens, in der eine Animation Geld, Zins, Sünde, Jenseitsvorsorge und Ablass ausleuchtet (Abb. 3).

Ein Ablass-Spiel erinnert daran, dass wir im Alltag nach wie vor von kleineren und grösseren Sünden umstellt sind. Man muss sich zum Seelenheil hinaufarbeiten; bei Erfolg winkt ein himmlisches Zeichen.

Im zweiten Raum lädt eine Kirchenbank zum Studium der Begleitschrift der Ausstellung ein. Ein Blick auf den Boden macht deutlich, was «Fugenschmutz» in den Holzböden der mittelalterlichen Kirchen bedeutet: Wie sähe dieser Fugenschmutz heute aus?

Die ausgestellten Objekte leiten zu weiteren Themen über. Sind Kirchen im Mittelalter soziale Räume, in denen nicht nur gebetet wurde? Was für geldgeschichtliche Auswirkungen hatte das Konstanzer Konzil von 1414–1418, eine der grössten Kirchenversammlungen des Mittelalters?

Zudem wird daran erinnert, dass wir auch heute mit Mitteln des Ablasses Umweltsünden beichten und mit Geld bereinigen. Das Mittelalter ist nicht zu Ende.

Das Buch

Zur Ausstellung ist eine Begleitschrift erschienen, die einige der Themen in vierzehn kurzen Kapiteln vertieft und in Form eines kleinen Kirchenbuchs gestaltet ist.

Informationen

Münzkabinett und Antikensammlung der Stadt Winterthur

Villa Bühler, Lindstrasse 8, 8400 Winterthur

www.muenzkabinett.ch / muenzkabinett@win.ch

Ausstellung bis 15. April 2018

Öffnungszeiten: Dienstag, Mittwoch, Samstag und Sonntag, jeweils 14–17 Uhr.

Begleitpublikation:

Benedikt Zäch, Geld+Kirche: Das Kreuz der Kirche mit dem Geld. Winterthur: Münzkabinett der Stadt Winterthur, 2017 (Schriften des Münzkabinetts Winterthur 1). –112 S., 8 Bildtafeln. ISBN 978-3-907047-08-8.

Vorzugsausgabe mit festem Einband, Goldreliefprägung und Lesebändchen: Fr. 36.-;Normalausgabe, Broschur: Fr. 18.-. – Das Buch ist im Museumsshop erhältlich und kann auch per Mail bestellt werden.